FOCUS-Online-Redakteur Matthias Hochstätter veröffentlichte den Beitrag „Preise steigen und steigen – Deutsche Bauern wittern schnelles Geld mit Weizen-Krise – Özdemir schiebt Riegel vor„.

Wir bekamen dazu einen Leserbrief von Ulrich Knippenberg zugesandt:

Sehr geehrtes Focus Online Team!

Dieser Artikel strotzt so dermaßen vor Widersprüchen, das man Ihn nicht unkommentiert lassen kann!

Schon die Überschrift ist ein Schlag ins Gesicht derer, die trotz teils extrem schlechter wirtschaftlicher Bedingungen immer noch Landwirtschaft in Deutschland betreiben – und enthält auch schon gleich den ersten Widerspruch.

Warum implizieren Sie gleich in der Überschrift, die Landwirtschaft sei grade zu hoch erfreut über den schrecklichen Krieg in der Ukraine?

Und was genau ändert Özdemir am weltweiten Weizen-Preis?

Die folgende Passage über die „Hamsterei“, die wir alle sehen ist nicht zu beanstanden, wobei man natürlich aus dem irrationalen Handeln auch auf eins schließen kann: Angst!

Die Bevölkerung hat offenbar schlicht und ergreifend Angst, das an den ganzen Meldungen, es sei immer genug für alle da, evtl. doch Zweifel angebracht sind?

Das dann grade zu süffisant als „Weltrettung“ titulierte Ansinnen, darüber nachzudenken wie sinnvoll in der aktuellen Lage die weitere Ausdehnung nicht produktiver Flächen ab 2023 ist, ist an Überheblichkeit kaum noch zu toppen, und widert mich einfach nur noch an. Haben Sie überhaupt ansatzweise eine Idee, was mit der GAP 2023 beschlossen wurde?

Wissen Sie überhaupt, wie diese Stilllegungen aussehen sollen?

Können Sie mir erläutern, wie das geplante Handeln auch nur irgendwie ansatzweise „Klimaschonend“ sein soll?

Wenn von Ihrer Redaktion und den befragten NGOs konstatiert wird, wir seien beim Getreide Selbstversorger, warum nimmt man nicht ein einziges Mal die Gesamtsituation in den Blick?

Ernähren Sie sich ausschließlich von Weizen? Nein? Wo kommt Ihr Obst her? Ihr Gemüse? Der Kaffee?

Selbst bei Tierischen Produkten, wo wir in einigen Bereichen tatsächlich Netto Exporteur sind, wird nur all zu gern verschwiegen das wir zwar wohl in Deutschland nicht verkäufliche Einzelteile exportieren, aber bei den Edelteilen welche hier reißenden Absatz finden immer wieder Nettoimporteur sind?

Eine Absolute Frechheit ist auch die Feststellung, das kritisierte Vorgehen würde 600 Millionen Euro pro Ernte in die Kassen der Landwirte spülen. Welches Milchmädchen setzt Umsatz gleich Gewinn?

Haben Sie überhaupt ansatzweise eine Idee, wie sich die Kosten für Betriebsmittel, für Saatgut, Diesel, Dünger entwickelt haben?

Diese unglaubliche Inkompetenz setzt sich dann nahtlos fort beim Thema Futtergetreide, das Thema womit im Moment gefühlt die gesamte Sammlung an NGOs ihr letztes verbleibendes Spielfeld für Ihre Ideologien, die Landwirtschaft, in ein schlechtes Licht rücken und die Bevölkerung für dumm verkaufen will. Fragen Sie doch bitte mal Ihren „Agrarexperten“ Christian Rehmer, wie wir hier im Münsterland auf kargen Sandböden einen backfähigen Weizen auf den Acker bekommen?

Wir, die wir hier seit Jahrhunderten Landwirtschaft betreiben sind da scheinbar nicht zu im Stande?

Fragen Sie doch mal bitte bei Herrn Hoffstetter, ebenfalls „Experte“, wer wohl im Sommer hier Gerste oder Roggen kaufen möchte für die heimische Küche?

Fragen Sie auch gern mal in Özdemirs Ministerium, warum wohl so wenig Soja, Lupine und Erbse ohne Pflanzenschutz angebaut wird?

Was meinen Sie, was meint Frau Künast wohl, warum die Landwirtschaft in vielen Regionen auf die Tierhaltung (In Fachkreisen auch „Veredlung“ genannt…) angewiesen ist?

Warum wohl haben unsere Altvorderen angefangen Tiere zu halten? Um anschließend WENIGER Nahrung zu haben?

Und die Märchenstunde des „Immer mehr“ an Nutztieren in Deutschland hält ebenfalls keiner Überprüfung stand, das ist so schlicht nicht wahr. Diese Überheblichkeit, mit der über unser Handeln als Landwirte berichtet wird, ist nicht mehr auszuhalten. 2019/20 lag der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln in Deutschland bei 88% und ist seit dem vermutlich noch weiter gesunken. Unabhängig von anderen Gütern, die in anderen Teilen der Welt Fläche verbrauchen (Baumwolle zum Beispiel) ernähren sich Stand heute also schon mindestens 10 Millionen Menschen in Deutschland von Flächen in anderen Teilen der Welt. Was soll nun die Lösung sein?

Seit Jahrhunderten bewährte Strategien zum nutzbar machen ansonsten unproduktiver Flächen in Frage stellen, darüber fabulieren was man alles tolles mit Futtergetreide machen könnte, ohne auch nur ansatzweise zu erwähnen warum das eben Futtergetreide ist und kein Backweizen?

Oder lieber weiter darauf bauen, das wir in Deutschland reich genug sind, um Fehlmengen weiter auf dem Weltmarkt zu beschaffen?

Sinnlose „Tank oder Teller“ Debatten wieder aus der Versenkung holen, wenige Tage nachdem die erste Frühwarnstufe des Gas-Notfallplans ausgerufen wurde?

Landwirtschaft produziert Energie, in Form von Nahrung, aber eben auch in Form von Strom, Wärme und Kraftstoffen. Ein Mangel in Deutschland ist übrigens Tagesaktuell komplett abstrus, wir leben hier immer noch im totalen Überfluss. In anderen Teilen der Welt ist die Lage aktuell schon etwas anders, aber bei weitem noch nicht so dramatisch, wie es kommen könnte wenn im nächsten Jahr in Europa und der westlichen Hemisphäre kaum Mineraldünger zur Verfügung steht, da die Produktion aufgrund von extrem hohen Gaspreisen steht und Importe aus Russland wohl kaum in Frage kommen. Sie können ja mal ihre gesammelten „Agrarexperten“ fragen, wie diese dann die Versorgungslage in 2024 sehen, denn Landwirtschaft braucht extrem langen Vorlauf. Jetzt nicht produzierter Dünger steht im Frühjahr 2023 nicht zur Verfügung und führt dann zu Engpässen vor der Ernte 2024… das können Ihnen ihre Lieblings-NGOs sicher im Detail erklären.

Als Einstieg empfiehlt sich etwas Lektüre, zum Beispiel hier: https://www.spektrum.de/news/nahrung-fuer-die-halbe-welt/969784

Ulrich Knippenberg

Lesermeinungen sind die persönliche Meinung der Schreiber und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung der Redaktion.

Bildquelle: Moderner Landwirt-Archiv


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